Österreich: Sommerhitze, Rehragout und eine Leiche – oder eben keine. Der Tiefkühlproduktelieferant Franz Schlicht liefert auch während der Jahrhundert-Hitzewelle, dem „Jahr des Eismanns“, wie er es nennt, gekühlte Produkte an seine Kundschaft aus. So auch an seinen Stammkunden Doktor Schauer, welcher mittlerweile bereits eine ganze Kühltruhe voller Tiefkühl-Rehragout besitzt. Dieser Doktor Schauer hat den Eismann seines Vertrauens für einen speziellen Auftrag auserwählt: Zum Sterben will er sich in seine Tiefkühltruhe legen und – um nicht von seiner Tochter gefunden zu werden – möchte er nach seinem Tiefkühltod von Herr Schlicht abgeholt und an einen anderen Ort transportiert werden. Doch es kommt alles anders, als die Tiefkühltruhe zum vereinbarten Abholtermin leer ist. Franz Schlicht findet zwar jede Menge aufgetautes Rehfleisch vor, aber keine Leiche. Daraufhin beginnt die absurde Suche nach der Tiefkühlleiche, die dem Lieferanten eine seltsame Begegnung nach der anderen beschert.
2017 nimmt der Theaterwissenschaftler und Dramatiker Ferdinand Schmalz an den Tagen der deutschsprachigen Literatur teil und gewinnt mit einem Auszug aus Mein Lieblingstier heißt Winter den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2021 erscheint sein Debütroman bei S. Fischer. Die Handlung spielt, wie sollte es anders sein, in Wien. – Wo sonst würde man lachen über das Bonmot: Sagt einer: „Weißt, wer g’storben is?“ Antwortet der andere: „Mir is jeder recht.“
Schmalz‘ Buch dreht sich um den Moment der absoluten Verzweiflung, den Nullpunkt, den Augenblick des Todes und um dessen Essenz, doch vor allem um die Lächerlichkeit, die mit diesem einhergeht. So meint man eigentlich, nie Todesangst und Rehragout Hand in Hand gehen zu sehen, doch der Autor treibt die Handlung seines Romans mit absurden Spitzen immer weiter voran, es schließen sich dem dazu ein jahrhundertealtes Rindsgulasch, ein Ministerialrat, der Nazi-Weihnachtsbaumschmuck sammelt, korrupte Tatortreiniger, mafiöse Bestattungsunternehmen und vieles mehr an, sodass die (Un- )Endlichkeit des Daseins in all ihren Formen humoristisch und überspitzt den Protagonisten durch die Geschichte leitet.
Es geht in der Geschichte nicht vornehmlich um Franz Schlicht, welcher – wie bereits sein Name verrät – „gradewegs die Schlichtheit in Person“ ist, vielmehr verhandelt der Roman die menschlichen Abgründe in all ihren Facetten.
Schmalz, als österreichischer Dramatiker bekannt, spielt jedoch nicht nur mit den absurden Handlungssträngen, sondern auch mit einem ungewöhnlichen Sprach- und Schreibstil. Die
Sprache des Debütromans wirkt unnatürlich und verkürzt, ist an eine dialektanmutende Umgangssprache angelehnt, die von rhythmischen Wiederholungen und plump wirkenden Satzkonstruktionen geprägt ist („Hat sie, die Auswahl bunter Eis am Stiel, es erst mal in die Tiefkühltruhen treuer Kundinnen und Kunden dann geschafft, kann sich der Endverbraucher oder sie, die Endverbraucherin, auch daran abkühlen.“). Zwischen Schachtelsätzen und Ellipsen bleibt man als Leser immer wieder gedanklich hängen. Man stolpert förmlich durch das gesamte Buch, liest Sätze oder ganze Kapitel noch einmal von vorne und benötigt für die kurze Strecke von 190 Seiten unzählige Anläufe.
Hinzu kommt, dass Schmalz in seinem Werk beinahe vollkommen auf die direkte Rede verzichtet und sich Unterhaltungen zwischen den Figuren in einer mit Konjunktiven und Wiederholungen gespickten Syntax teilweise verlieren („Sie solle sich nur ja nichts darauf einbilden, dass er, wenn er es wollt, könnt er auch jederzeit sie wieder da in diesen Staub, aus dem sie aufgestanden ist, könnt er sie wieder runterzerren.“). Auf diese Weise frustriert der Roman nicht nur über die gesamte Lesedauer hinweg, sondern hinterlässt zum Schluss auch einen faden Beigeschmack, wenn man feststellt, dass die Ideen auf ihre morbide Art zwar ganz originell sind, sich das Lesen insgesamt aber als äußerst mühsam gestaltete und das Durchhalten bis zum Schluss nicht einmal belohnt wird, da der Roman leider nicht mit dem großen Paukenschlag endet, den man sich die ganze Zeit erhofft hat, sondern in einem herkömmlichen Krimifinale verebbt.
Wenn man die Liebe zu Leichenhaushumor und sprachlich speziellen Büchern hegt, wird man an Ferdinand Schmalz‘ Roman seine Freude haben. Dem Werk ist ein gewisser Charme nicht abzusprechen. Aber man sei gewarnt: Als leichte Lektüre für zwischendurch in der U-Bahn ist es nicht geeignet.
Tipp: Wer sich für die szenische Umsetzung der Geschichte Mein Lieblingstier heißt Winter interessiert, kann sich auf die Uraufführung im Frankfurter Schauspielhaus am 24. März 2023 freuen.