Meine früheste Erinnerung an das Theater und der Beginn meiner bis heute andauernden Faszination begann im Märchentheater. Weite, bunte Kostüme, Schlösser und Bauernstuben, Drehbühnen und ganz viel Magie zogen mich in ihren Bann. Gebürtig aus der Brüder-Grimm-Stadt Hanau fieberte ich an der Kante meines Sitzes mit Dornröschen, die sich an der Spindel stach, mit Schneewittchen, die in den vergifteten Apfel biss, und mit dem tapferen Schneiderlein, das durch listige Taten den Riesen an der Nase herumführte. Märchen nahmen früh eine Rolle in meinem Leben ein, ob auf der Bühne, im Sonntagmorgen-Fernsehprogramm oder wenn meine Eltern sie mir vorlasen oder frei erzählten.
Am 21. November jährt sich der bundesweite Vorlesetag. Ein Anlass, sich daran zu erinnern, wie wichtig das Erzählen und Vorlesen geblieben ist. Vorlesen ist eine der ältesten und zugleich wirkungsvollsten Formen der Sprach- und Kulturvermittlung. Es schafft eine Brücke zwischen Generationen und Welten. Beim Vorlesen entsteht ein Moment der gemeinsamen Aufmerksamkeit, in dem Stimme, Rhythmus und Fantasie Worte lebendig werden lassen. Kinder hören zu, fühlen mit und entfalten ihre Vorstellungskraft.
Zugleich fördert das Vorlesen Bildung und Empathie: Es erweitert den Wortschatz, stärkt das Sprachverständnis und öffnet emotionale wie gedankliche Räume. Geschichten machen erfahrbar, was sonst abstrakt bliebe, und regen dazu an, sich in andere Perspektiven hineinzuversetzen. So ist das Vorlesen nicht nur ein pädagogisches, sondern auch ein zutiefst menschliches Ritual des Teilens, das Gemeinschaft stiftet. Ebenso wie es das Theater immer wieder tut.
Diese frühen Erlebnisse mit den Märchen und dem Theater haben mich geprägt. Vielleicht zieht mich gerade deshalb bis heute jedes Weihnachtsmärchen aufs Neue in seinen Bann. In diesem Jahr erzählt das Oldenburgische Staatstheater mit »Die Schöne und das Biest« von einer Liebe, die über den äußeren Schein hinausblickt, von Mut, Güte und innerer Schönheit, und bringt den alten französischen Stoff auf humorvolle Weise durch zwei erzählende Feen, Mr. Pink und Cécile, und ihren rostfreien, wetterfesten, gehirnzapfenden Gedankenfänger zu neuem Leben.
Märchen sprechen uns noch heute an, weil sie in Bildern erzählen, was viele Menschen bewegt: kindliche Faszination, das Überwinden von Angst und die Hoffnung, dass das Gute am Ende siegt. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann…
Veröffentlicht: Oldenburgisches Staatstheater. Theaterzeitung. November 2025/26.(30.10.2025).
DIE SCHÖNE UND DAS BIEST
von Lucy Kirkwood / Katie Mitchell
Deutsch von Katharina Schmitt
PREMIERE: Sonntag, 30.11. | 15:00 Uhr | Großes Haus
Vorstellungen: 1.12., 2.12., 3.12., 5.12., 6.12., 7.12., 8.12., 9.12., 10.12., 11.12., 12.12., 14.12., 15.12., 16.12., 17.12., 18.12., 21.12., 23.12., 26.12., 29.12., 4.1.
Regie: Krystyn Tuschhoff | Bühne und Kostüme: Anike Sedello | Musik: Jan Wilhelm Beyer | Licht: Arne Waldl | Dramaturgie: Matthias Grön, Annika Müller | Theatervermittlung: Liliane Bauer
Mit: Florian Heise, Esther Berkel, Sofie Junker, Pippa Fee Rupperti, Franziska Werner, Gerrit Frers, Michel Brandt, Darios Vaysi