
Der erste Eindruck ist beklemmend. Ein riesiger Betonkoloss ragt am Ufer der Weser in den Himmel, grau, roh, fast surreal. Der „Bunker Valentin“ in Bremen-Farge wirkt wie ein Fremdkörper in der Landschaft und ist ein stummer Zeuge eines Ortes, an dem vielen Menschen ihr Leben genommen wurde. Heute ist er ein Denkort, der zeigt, wie wichtig es ist, sich mit der Vergangenheit der eigenen Umgebung auseinanderzusetzen.
Bei dem grauen Gebäude handelt es sich um eine U-Boot-Werft der deutschen Kriegsmarine aus dem Zweiten Weltkrieg. Im Mai 1943 begann die Kriegsmarine mit dem Bau des Bunkers „Valentin“, um dort U-Boote des damals neuen Typs XXI in Massenproduktion zu bauen. Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Karl Dönitz, hoffte mithilfe dieser Boote die Nachschubwege der Alliierten über den Atlantik unterbrechen zu können. Auf diese Weise sollte die Kriegsmarine einen entscheidenden Beitrag zu einer Wende im 2. Weltkrieg leisten.
Bis zu 10.000 Zwangsarbeiter mussten zwischen Mai 1943 und April 1945 unter unmenschlichen Bedingungen täglich körperliche Arbeit bis zur vollkommenen Verausgabung auf der Baustelle leisten. Zunächst wurden vor allem Dienstverpflichtete und zivile Zwangsarbeiter:innen eingesetzt. Da Arbeitskräfte fehlten, wurde mit der SS über den Einsatz von KZ-Häftlingen verhandelt. Das KZ-Außenlager Farge wurde gebaut. Zivile Zwangsarbeiter aus ganz Europa, sowjetische Kriegsgefangene, italienische Militärinternierte, KZ-Häftlinge und Insassen eines sogenannten Arbeitserziehungslagers der Bremer Gestapo wurden zum Bau der Werft nach Farge deportiert. Viele von ihnen überlebten die anstrengende Arbeit, die mangelhafte Versorgung und die katastrophalen Lebensbedingungen in den umliegenden Lagern nicht. Während des Baus starben etwa 1.600 Zwangsarbeiter an Unterernährung, Krankheiten sowie willkürlichen Tötungen. Im November 2015 wurde der Dokumentations- und Erinnerungsort als „Denkort Bunker Valentin“ eröffnet. Träger ist die Landeszentrale für politische Bildung Bremen.
Im Bunker wird man von der Dunkelheit förmlich erdrückt. Die 18 Meter hohen Decken lassen alle Stimmen in der Halle widerhallen. Hinter Fensterscheiben sieht man die Schäden der Bomben der britischen Luftwaffe, die das Dach des Bunkers durchschlugen. Die Stahlstreben hängen aus den Einschlaglöchern im Beton nach unten wie Lianen, sodass dieser Bereich nicht mehr zugänglich ist.
Durch die Ausstellungen und Informationsangebote, wie den Hörführungen über die kostenlose App des Denkortes oder den Multimediaguide, wird an die Schicksale der Inhaftierten erinnert. Auch Videoinstallationen innerhalb des Bunkers beschäftigen sich damit, wie die Zwangsarbeitenden verhaftet wurden, nach Farge deportiert wurden und auf der Baustelle arbeiten mussten. Die Gedenkstätte ist ein Relikt der nationalsozialistischen Rüstung für den Seekrieg und ein Mahnmal für die Opfer der NS-Herrschaft.

Veröffentlicht: MoX Veranstaltungsjournal. Juli 2025. (09.07.2025).