Fragen an Anne Horny & Philip Rubner
Annika: Ihr habt euch bei dieser Inszenierung einer neuen Herausforderung gestellt: eine nachhaltige Theaterproduktion. Was gilt es bei einer CO2-neutralen Produktion zu beachten?
Philip: Im besten Falle heißt das, CO2 komplett zu vermeiden oder auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Das ist beim Bühnenbild gar nicht so einfach, weil viele Komponenten wie Beleuchtung, Ton usw. eine Rolle spielen. Im Grunde muss jede Komponente einzeln für sich bewertet werden.
Annika: Könnt ihr konkrete Maßnahmen nennen, die ihr für die Produktion getroffen habt?
Philip: Hinsichtlich des Bühnenbilds haben wir uns in den drei zu gestaltenden Räumen dem Thema Nachhaltigkeit auf drei verschiedene Arten angenähert. Der Show-Raum sollte eine Hochglanz-Ästhetik bekommen und dafür haben wir zunächst verschiedene Materialien verglichen.
Anne: Wir haben nur mit bereits vorhandenem Material gearbeitet und in wenigen Einzelfällen Second Hand von Privatpersonen abgekauft. Zum Beispiel die Quietscheentchen in der Perücke von Calvin-Noel Auer. Wir haben tagelang das Stofflager und den Kostümfundus durchforstet.
Annika: Was waren Schwierigkeiten? Was hat deutlich besser funktioniert als gedacht?
Philip: Das ständige Bewerten der Nachhaltigkeit erfordert einfach mehr Zeit als bei einem normalen Entwurfs- und Umsetzungsprozess. Was deutlich besser funktioniert als gedacht, ist für mich tatsächlich alles, was mit notwendigen Requisiten zu tun hat. Wenn möglich, nehmen wir Sachen aus dem Fundus anstatt neu zu kaufen oder zu produzieren, oder wir kaufen etwas Second Hand dazu.
Anne: Wir sind manchmal daran verzweifelt, genau das zu finden, was uns vorschwebt. Ein Klick bei Amazon wäre da oft einfacher und nervenschonender gewesen. Es war immer wieder nötig, die angestrebte Ästhetik zu verändern und nach neuen Lösungen zu suchen. Ich bin überrascht, dass das geklappt hat, ohne, dass wir qualitative Abstriche machen mussten.
Annika: Gibt es etwas, dass ihr aus dieser Produktion für eure zukünftige Arbeit mitnehmen werdet?
Philip: Ja, auf jeden Fall also ich für mich nehme mit, dass das noch viel Arbeit bedeutet. Es muss auf breiteren Wegen kommuniziert werden, gestreut werden, ausgefertigt werden und ausprobiert werden und weiterhin werden wir an vielen Punkten scheitern, aber für mich steht fest, dass ich große Teile in meine zukünftige Produktion mit ein bringen werde und auch muss, weil es unsere Aufgabe ist, auch als Vorbild für viele Menschen zu dienen und da gehört eine CO2-reduzierte oder eine -neutrale Umgangsweise mit Ressourcen einfach dazu.
Anne: Wir brauchen mehr Entschleunigung insgesamt, mehr zeitlichen Vorlauf, weniger Produktionen und eine gemeinsame Denkweise, die erst entwickelt werden muss. Nachhaltiges Arbeiten ist momentan vor allem eine Frage der Zeit und der menschlichen Kapazitäten. Und: Ein*e Schuhmacher*in am Haus wäre auch toll.
Veröffentlicht: Deutsches Nationaltheater Weimar. Programmheft zu »Die Leiden des jungen Werthers«. (2024).